Donnerstag, 2. März 2017

1. Gedicht: Hyperions Schicksalslied

Hyperions Schicksalslied (Friedrich Hölderlin)

Ich habe dieses Gedicht gewählt, da ich seinen Inhalt sehr interessant finde. Die letzte Textpassage mag ich am meisten, denn hier wird sehr schön beschrieben, wie wenig wir über den Tod wissen und wie ungewiss er ist. Das Besondere ist, dass es auch als Lied gesungen werden kann.
Ihr wandelt droben im Licht
 Auf weichem Boden, selige Genien!
  Glänzende Götterlüfte
   Rühren euch leicht,
    Wie die Finger der Künstlerin
     Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende
 Säugling, atmen die Himmlischen;
  Keusch bewahrt
   In bescheidener Knospe,
    Blühet ewig
     Ihnen der Geist,
       Und die seligen Augen
        Blicken in stiller
         Ewiger Klarheit.

Doch uns ist gegeben,
 Auf keiner Stätte zu ruhn,
  Es schwinden, es fallen
   Die leidenden Menschen
    Blindlings von einer
     Stunde zur andern,
      Wie Wasser von Klippe
       Zu Klippe geworfen,
        Jahr lang ins Ungewisse hinab.

Reich-Ranicki, Marcel

Die besten deutschen Gedichte, erste Auflage, Berlin 2012, S. 77.

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