Donnerstag, 9. März 2017

3. Gedicht: Sterbender Soldat

Sterbender Soldat (Hermann Hesse)

Dieses Gedicht beinhaltet für mich zwei schreckliche Themen, einerseits die innewohnende Depression des Soldaten und andererseits die aussen wütende Aggression auf dem Kriegsfeld. Ist da nicht der Tod die erhoffte Erlösung?

Nur Sünden hab ich gekannt
Und Einsamkeit,
Mein Herz hat für niemand gebrannt
Seit der Kinderzeit.

Langsam ging mir der Tag
und die Welt war leer,
Einsamer Stunden Schlag
klang um mich her.

Heute verblut ich im Feld
Und bete voll Dank,
Segne die liebe Welt,
Bin nicht mehr krank.

Er, den ich einst gekannt,
Gott nickt mir zu,
Tut mir mit fester Hand
Die Augen zu.

Steht still und wunderbar
Meine Mutter im Feld,
lang fliesst ihr blondes Haar
Über mich und die Welt...



Volker, Michels (Hrsg.)
Hermann Hesse Die Gedichte, 1. Auflage, Frankfurt am Main 1977, S. 401.

2. Gedicht: Der Tod ging Nachts

 Der Tod ging Nachts (Hermann Hesse)

Dieses Gedicht spricht  mit einer geheimnisvollen Sprache und hat mich sofort begeistert. Ich finde es sehr spannend, Gedichte auf unterschiedlichen Arten zu deuten und zu analysieren. Die reinen Reime finde ich in diesem Gedicht akustisch besonders schön.

Der Tod ging nachts durch eine Stadt.
Ein Fenster war noch rot im Dach,
Dort sass ob einem Verseblatt
Ein kranker Dichter spät noch wach.

Der Tod stiess leis das Fenster ein
Und blies die trübe Ampel aus.
Ein Hauch, ein Blick, ein Lächelschein,
Und dunkel wurde Stadt und Haus.


Hesse, Hermann
Hermann Hesse, Die Gedichte, 3. Auflage, Frankfurt am Main 1992, S. 89.

Donnerstag, 2. März 2017

1. Gedicht: Hyperions Schicksalslied

Hyperions Schicksalslied (Friedrich Hölderlin)

Ich habe dieses Gedicht gewählt, da ich seinen Inhalt sehr interessant finde. Die letzte Textpassage mag ich am meisten, denn hier wird sehr schön beschrieben, wie wenig wir über den Tod wissen und wie ungewiss er ist. Das Besondere ist, dass es auch als Lied gesungen werden kann.
Ihr wandelt droben im Licht
 Auf weichem Boden, selige Genien!
  Glänzende Götterlüfte
   Rühren euch leicht,
    Wie die Finger der Künstlerin
     Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende
 Säugling, atmen die Himmlischen;
  Keusch bewahrt
   In bescheidener Knospe,
    Blühet ewig
     Ihnen der Geist,
       Und die seligen Augen
        Blicken in stiller
         Ewiger Klarheit.

Doch uns ist gegeben,
 Auf keiner Stätte zu ruhn,
  Es schwinden, es fallen
   Die leidenden Menschen
    Blindlings von einer
     Stunde zur andern,
      Wie Wasser von Klippe
       Zu Klippe geworfen,
        Jahr lang ins Ungewisse hinab.

Reich-Ranicki, Marcel

Die besten deutschen Gedichte, erste Auflage, Berlin 2012, S. 77.